noch nicht.“ Interessant ist auch, dass nicht alle Emotionen den gleichen Effekt auf unser Ess- verhalten haben. So konnten Julia Reichenber- ger und ihre Kollegen in Studien belegen, dass Ärger oder Ängstlichkeit eher dazu führen, dass wir weniger essen. Sind wir traurig, essen wir tendenziell mehr. Jäger und Einkäufer Beim Trostschlemmen und Stressessen kommt erschwerend hinzu, dass wir lieber zu Eis, Scho- kolade oder Chips greifen als zum gesunden Rohkostteller. „Denn bestimmte Situationen wie beispielsweise der Liebeskummer stellen Stressoren dar, woraufhin im Körper die soge- nannte HPA-Achse aktiviert wird“, erklärt Rei- chenberger. Diese Stressachse beeinflusst Hor- mone im Körper und versetzt uns schließlich in einen Alarmzustand. „Wir greifen daraufhin zu schnell verfügbarer Energie und belohnen- den Nahrungsmitteln in Form von zucker- oder fetthaltiger Nahrung. Während dies bei den Neandertalern ein wichtiger Prozess war, um das Überleben zu sichern, ist dies heutzutage nicht mehr zeitgemäß.“ Und anders als bei den Neandertalern müssen wir uns unsere Dickmacher heutzutage auch nicht mehr mit Glück und Geschick erjagen. Sie warten und locken uns von überallher. Die Supermärkte sind prall gefüllt und oft noch bis spätabends geöffnet, die Städte sind gepflastert mit Fast-Food-Restaurants und Schnellimbis- sen. „Und falls diese bereits geschlossen haben sollten, findet sich meist dennoch eine Tankstel- 8 | mhplusdu Standardausgabe 04/21 le, ein Automat oder ein Lieferservice“, so Rei- chenberger. „Einem Verlangen nach bestimmten Nahrungsmitteln nachzugehen, anstatt zu wi- derstehen, ist somit einfacher geworden.“ Raus aus der Essfalle Ein komplexes System also, das sich langfristig zum Teufelskreis entwickeln kann. Die Fähig- keit, mit den eigenen Gefühlen umzugehen, wird durch Essen ersetzt und geht so mehr und mehr verloren. Dazu gesellt sich oftmals neuer Frust durch den wiederkehrenden Disziplinver- lust und eine mögliche Gewichtszunahme, der wiederum zu Frustessen führt. Ein Kreislauf, der Seele und auch Körper gleichermaßen schä- digen kann. Denn neben seelischen Tiefpunk- ten, die Betroffene erleiden, kann ein länger anhaltender Überkonsum von Zucker und Fett zu Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck oder einer Fettleber führen. Um den Kreislauf zu durchbrechen, sieht Julia Reichenberger in erster Linie einen wichtigen Ansatzpunkt: „Am hilfreichsten wäre es, am Anfang anzusetzen und einen funktionalen Umgang mit den eige- nen Emotionen zu lernen.“ Ein erster wichtiger Schritt für die Betroffenen ist hier, die Emotionen nicht nur „wegzuschlem- men“, sondern sie wirklich wahrzunehmen und darauf zu hören, welches Bedürfnis sich eigent- lich dahinter verbirgt. Denn hinter Traurigkeit steckt beispielsweise das Bedürfnis nach Trost, den ein Becher Eiscreme naturgemäß nur be- dingt spenden kann. Weitaus „gesünder“ wäre das tröstende Gespräch mit der besten Freun- din, ein Kurztrip übers Wochenende, zur Lieb- lingsmusik tanzen oder ein ausgedehnter Kuschel abend mit der Katze auf dem Sofa. Ein simplerer Trick wäre, sich bereits im Vorfeld ein Schnippchen zu schlagen und Eis, Pizza und Co. gar nicht erst im Haus zu haben. „Dann überlegt man es sich zweimal, ob man extra deswegen zum Supermarkt gehen möchte.“ mhplus-Leistung Auch Ernährungsseminare können ein Weg sein, einen bewussteren Umgang mit dem Essen zu erlernen. Die mhplus unterstützt die Teilnahme an Seminaren in ganz Deutschland. Mehr dazu unter www.mhplus.de/gesundheitskurse