Streng genommen wird der Begriff „Doping“ nur im Leistungssport im Zusammenhang mit verbotenen Substanzen zur Leistungssteigerung verwendet. Doch auch im Hobbysport wird dem eigenen Leistungsvermögen offenbar durch die Einnahme von leistungsstei- gernden Substanzen oder durch – häufig sogar rezeptfrei erhältliche – Arzneimittel nachgeholfen. Wie viel tatsächlich im Hobbysport konsumiert wird, bleibt ungewiss. Eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit, die in Zu- sammenarbeit mit 300 Bodybuildern entstand, ergab, dass fünf Prozent aller Fitnessstudiogänger schon einmal Anabolika genommen haben. Bei neun Millionen Mitgliedern in Deutschland wären das 450.000 Konsumenten. Anabole Steroide sind synthetische Stoffe, die chemisch betrachtet eine ähnliche Struktur wie das männliche Sexual- hormon Testosteron aufweisen. Der ehemalige Bodybuilder und Fitnesstrainer Alexander Veith nimmt an, dass bereits ein Viertel der volljährigen Fitnessstudiogänger Erfahrungen mit diversen Dopingsubstanzen gesammelt hat. Gerade im Ausdauersport wird das Thema Doping eher verharmlost. Aber auch unter diesen Sport- lern werden riskante Substanzen eingenommen, die zu einer Leistungssteigerung führen sollen. Anabolika, die beim Muskelaufbau helfen, kom- men dabei wenig zum Einsatz. Dafür aber nicht- steroidale Antirheumatika – entzündungshem- mende und rezeptfreie Medikamente w ie Ibuprofen oder Diclofenac. Auf diese Weise sollen Schmerzen im Training oder Wettkampf unter- drückt und bessere Zeiten erzielt werden. Ein Bewusstsein für die Nebenwirkungen wie Magen- Darm-Blutungen, Herz-Kreislauf-Probleme und Nierenschäden besteht meistens nicht. Auch hier ist unklar, wie häufig Medikamente tat- sächlich eingesetzt werden. Denn: Wo kein Kläger, da kein Richter. Aufschluss geben vor allem Einzel- fallstudien: Die NADA verweist auf eine anonyme Befragung von Teilnehmern des Bonn-Marathons, bei der etwa 60 Prozent angegeben hatten, vor dem Start Schmerzmittel eingenommen zu haben – ob- wohl keine akuten Schmerzen bestanden. Traine- rinnen und Trainer verschiedenster Disziplinen im Breitensport bestätigen diese Erfahrung. Im Amateur- und Hobbyradsport mangelt es noch stärker an Zahlen, denn es wird kaum kontrolliert. In Großbritannien gab es innerhalb eines Jahres drei Positivtests bei 44 durchgeführten Kontrollen. Eine enorme Quote. Einer der Doper war ein 46-jähriger Teilnehmer eines Zwölf -Stunden- Rennens für Hobbyfahrer, ein anderer war erst 17 Jahre alt. Er wurde positiv auf EPO getestet. Arznei- mittelmissbrauch ist somit im Hobbysport nicht nur viel verbreiteter als im Profisegment, sondern sehr wahrscheinlich auch prozentual auf die Bevölkerung verteilt viel verbreiteter als angenommen. Roman Schulte-Zurhausen (Diplom-Sportwissenschaftler, Leistungsdiagnostiker und Lauftrainer) „Ich bin persönlich noch nicht mit Doping in Kontakt gekommen. Weder bei den Läufern, die wir in unserem Unterneh- men als Lauftrainer betreu- en, noch in meinem nähe- ren Umfeld. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass es ein Thema ist. Ich erlebe es so, dass es den Hobbyathleten zwar auch um bestimmte Zeiten geht, die sie erzielen wollen. Aber häufig geht es ihnen vielmehr um eine Art Selbstbestätigung. Und um die Hoffnung, dass andere Menschen ihre Ergebnisse honorieren. Ich kann es mir so er- klären, dass es ein Wunsch nach Anerkennung ist. Viele machen ihr Training und ihre Ergebnisse im Sport öffentlich und lassen die Allgemeinheit daran teilhaben. Sie hoffen auf viele Likes und Kommentare wie ‚Das hast du toll gemacht‘. Passiert das, ruft das ein sehr gutes Gefühl hervor. Einige Läufer trainieren auf ein bestimmtes Ziel hin, zum Beispiel auf einen Marathon. Es gibt Läu- fer, die daraus ihre Motivation ziehen. Ihre Moti- vation ist eher nicht intrinsisch, sondern stark von den äußeren Faktoren bestimmt. Fällt zum Beispiel ein Lauf aus, geraten sie schneller in ein Motiva- tionsloch. Das passiert Läufern, die den Sport als solchen lieben, eher weniger. Je wichtiger mir ein solches Laufereignis ist, je mehr ich mich darauf fokussiere, desto mehr gerate ich unter Leistungs- druck, den ich mir selbst mache. Die Angst, zu ver- sagen, wächst, zum Beispiel einen Schwächeein- bruch zu erleiden. Ich kann mir vorstellen, dass dies ein Grund dafür ist, ein Schmerzmittel zu nehmen, um gut durch den Wettkampf zu kommen, nicht einzubrechen und eine gute Zeit zu erreichen. Ich glaube, der Leistungsgedanke prägt auch den Hobbysport und kann auch ein großer Faktor beim Medikamentenmissbrauch sein. Man will funk- tionieren – im Alltag, zum Beispiel im Studium, mhplusdu 01/20 | 7