wirklich nur machen nach einer ent sprechenden Diagnose. Für die Dia gnose einer Zöliakie ist es sogar ganz entscheidend, dass man sich gerade nicht ohne ärztliche Anweisung glu tenfrei ernährt. Denn wenn man die Therapie vorwegnimmt, bildet sich die durch die Zöliakie verursachte Entzündung im Dünndarm zurück. Diese Entzündung festzustellen, ist aber ein wichtiger Teil der Diagnostik. Sind Umweltfaktoren verant- wortlich für die Zunahme von Lebensmittelallergien und Intoleranzen? Bei Allergien kann man die Zunah me eindeutig in qualifizierten Stu dien sehen, bei Intoleranzen ist das eher schwierig. Bei den Allergien weiß man, dass es Faktoren gibt, die man nicht beeinflussen kann. Das ist zum Beispiel die Genetik. Wenn die Eltern Allergiker sind, haben die Kinder ein viel größeres Risiko, auch Allergien zu entwickeln. Aber es gibt auch Fakto ren, die man beeinflussen kann. Zum Beispiel Kaiserschnitt versus natür liche Geburt – KaiserschnittKinder haben ein höheres Allergierisiko. Medikamente, die eingenommen werden, besonders im Kindesalter, beeinflussen das Immunsystem. Ob wir auf dem Land leben oder in der Stadt. Auch, ob wir Einzelkinder sind oder ob wir Geschwister haben, spielt eine Rolle: Wenn mehrere Kinder in der Familie sind, ist das Allergie risiko geringer. Und das hat damit zu tun, dass frühzeitig mehr banale Infektionen durchgemacht werden. Durch diese Infekte wird die Immun antwort ausbalanciert. Den gleichen Effekt sieht man, wenn Kinder früh in den Kindergarten kommen: Auch hier werden frühzeitig banale Infekte durchgemacht. Die Entwicklung von Allergien ist multifaktoriell. Und damit wird es auch so komplex. Gibt es auch bei den Intoleran- zen Faktoren, die beeinflussen, wer betroffen ist? Natürlich. Das einfachste Beispiel ist die Laktoseintoleranz, bei der wir Europäer ja die Ausnahme sind. Welt weit betrachtet sind die Menschen mit einer Laktoseintoleranz weit in der Überzahl. Es gibt einfach bei sehr vielen Menschen eine genetische Ver anlagung in den Darmzellen dazu, im Laufe des Lebens die Fähigkeit zu ver lieren, den Milchzucker Laktose ab zubauen. Das Darmenzym Laktase, das dafür nötig ist, geht verloren. Es kann aber auch sein, dass die Intole ranz erworben wird, indem der Darm geschädigt wird, beispielsweise durch eine Gastroenteritis, z. B. bei einem Reisedurchfall. Wenn die Darmzel len beschädigt werden, kann das da zu führen, dass die Fähigkeit, Milch zucker abzubauen, reduziert wird. Eine Laktoseintoleranz kann aber auch die Folge beispielsweise einer Darment zündung sein oder einer Bestrahlung oder Chemotherapie. Gibt es neben der Tatsache, dass Kinder häufiger unter Lebensmittelallergien leiden als Erwachsene, Erkenntnisse darüber, ob manche Menschen stärker betroffen sind? Ja, dazu gibt es Studien. Man weiß beispielsweise, dass 60 Prozent der Nahrungsmittelallergien bei Frauen vorkommen. Auch bei den Intoleran zen sind häufiger Frauen betroffen – vor allem bei der HistaminIntole ranz. Da macht der Anteil der Frauen 80 Prozent aus. Bei den Allergien weiß man zudem, dass Stadt oder Land ganz klar eine Rolle spielt. Das hat damit zu tun, welchen Keimen wir ausgesetzt sind und woher unsere „Mitbewohner“ im Darm kommen. Die Mikrobiota – also Mikroorganis men wie beispielsweise Bakterien –, übrigens auch die auf der Haut, be einflussen unser Immunsystem ganz entscheidend. Und wenn man auf dem Land aufwächst, kommt man mit anderen Keimen in Kontakt als in der Stadt. Es gibt einfach Faktoren, die förderlich sind für das Immun system, wenn man auf dem Land lebt. Beispielsweise die berühmte Hygiene Hypothese: Man weiß, dass bestimmte Mikrobiota, die vor allem in Kuhställen zu finden sind, prak tisch eine Art Allergieprävention sind. Was ist Ihrer Meinung nach die spannendste Erkenntnis bezüglich Unverträglichkeiten und Allergien, die die Wissen- schaft in den letzten Jahren gemacht hat? Sehr spannend ist wirklich die Mikro biotaForschung. Wie wirken sich Mikroorganismen, die in unserem oder an unserem Körper leben, auf Allergien und auf die Darmgesund heit aus? Es ist offensichtlich, wie stark wir von unseren „Mitbewoh nern“ beeinflusst werden. Und auch, wie sehr die Verdauung und Allergien zusammenhängen. Ich möchte Ihnen das an einem Beispiel aus unserer eigenen Forschung erläutern. Wir konnten nachweisen, dass es durch den Einsatz von Magensäureblockern leichter zu Allergien kommen kann. Denn die Magensäure spielt nicht nur eine entscheidende Rolle im Abbau von Allergenen, sie beeinflusst auch die Zusammensetzung der Darm bakterien und bildet eine Barriere, die vor Krankheitserregern schützt. Das funktioniert auch umgekehrt. Bei Versuchstieren, deren Verdauung wir mit Enzympräparaten unterstützt haben, hat sich gezeigt, dass diese kei ne oder nur leichte Allergien entwi ckeln. Irrsinnig spannend ist zudem, wie stark das Immunsystem von der Ernährung beeinflusst ist. Auch da passiert in der aktuellen Forschung gerade sehr viel. mhplus-Leistung Pollenallergikern bietet die mhplusApp tagesaktuelle Pollenfluginformationen für ihre Region. Mehr zur App finden Sie hier: www.mhplus.de/ mhplus-app mhplusdu Standardausgabe 01/21 | 9